Bd. 66 Nr. 4 (2024): atp magazin

atp magazin 4/2024

Kaum ein Sektor braucht hierzulande so viel Energie wie die produzierende Industrie. Es verwundert daher wenig, dass die klimaneutrale Fertigung noch lange nicht Realität ist, obwohl die ersten wichtigen Schritte in Richtung einer Green Production bereits gegangen worden sind.

Ein enormer Hebel, um den Energiehunger der Industrie dauerhaft zu senken, wird jedoch immer noch zu häufig übersehen: die Energieeffizienz. Sie muss der „erste Treibstoff“ für die Elektrifizierung sein, wie Mike Umiker und Jan-Henning Fabian (beide ABB ) im Interview ab S. 18 deutlich machen. „Die Grundvoraussetzung für das Gelingen der Elektrifizierung der Industrie sind energieeffiziente Systeme“, bringen es die beiden Experten auf den Punkt. Über den Betrieb mit Gleichstrom kann zusätzlich viel Strom eingespart werden.

Auch die Produktionsgebäude an sich sind heute durch moderne Automatisierungslösungen in der Lage, ihren Energieverbrauch KI-basiert zu steuern und zu optimieren. Die Gebäudeautomatisierung ist ein weiterer Effizienzhebel, der noch nicht genug im Vordergrund steht. Studien der International Energy Agency zeigen, dass das Energieeinsparpotenzial in Gebäuden sogar höher ist als in der  Industrie.

Wie viel Energie die produzierende Industrie heute schon einsparen kann und wie Sie diese Potenziale heben können, zeigt unsere Ausgabe zur Hannover Messe 2024 eindrücklich.

Die Interview-Highlights

„Energieeffizienz ist ein Muss!“
Auf dem Weg in eine klimaneutrale und elektrifizierte Zukunft kommt der Energieeffizienz immer noch zu wenig Aufmerksamkeit zu, wie Dr. Jan-Henning Fabian, Leiter des ABB Forschungszentrums in Ladenburg, und Mike Umiker, Managing Director Energy Efficiency Movement bei ABB, im Interview deutlich machen. Sie erklären, warum die Energieeffizienz zum ersten Treibstoff der Elektrifizierung werden muss und wie viel Energie die Industrie heute schon wo einsparen kann.

„Wir wollen die Welt abbilden“
Der Digital Twin und die Verwaltungsschale bieten in der industriellen Produktion schon heute enorme Vorteile. Wie wichtig dabei die Verbindungen zwischen den einzelnen Assets ist und wie daraus ein digitales Ökosystem wird, mit dem sich die Produktion optimieren und energieeffizienter fahren lässt, erklärt Kai Schwermann, Gründer und CTO der bill-X GmbH, im Interview.

Die peer-reviewten Hauptbeiträge

Shared Digital Product Passport for holistic lifecycle assessment
Die EU fordert für mehr und mehr Sektoren Emissionen, die mit dem Produkt zusammenhängenden, in einem „Digital Product Passport“ auszuweisen. Dies erfordert einen standardisierten Datenaustausch entlang der Herstellkette (Shared Production). Dazu gehören nicht nur die Emissionen der jeweiligen Rohstoff- und Komponentenhersteller, sondern auch der Transportdienstleister. Der Beitrag beschreibt, wie dieser Informationsfluss über Verwaltungsschalen und die Plattform Gaia-X realisiert werden kann.

Automationsgestütztes Energiedatenmanagement
Die Ausgangslage ist bekannt: Man will ein modernes Energiemanagement einführen und hat keine gute Grundlage dafür: Manuell abgelesene Zähler, keine einheitliche Kennzeichnung, viele Altsysteme. Der Beitrag stellt eine sehr praxistauglich Lösung vor, die für vier Hochschulen entwickelt wurde. Von der Datenerfassung bis zu webbasiertem Energiemanagement werden alle Schritte beschrieben. Zur Anwendung empfohlen!

Optimierung der Gebäudeautomation in kommunalen Bestandsgebäuden
„Es gibt auch schlecht eingestellte Automationssysteme!“ Bei „energetischer Sanierung“ denkt man an Dämmung und neue Heizungen – aber der Beitrag zeigt, dass man auch durch die Optimierung der Gebäudeautomation bis zu 25 % Einsparungen erreichen kann. Mögliche Fehlerreichen von falsch  angeschlossenen Feldgeräten bis hin zu schlecht eingestellten Reglern und Programmen. Projekte zur Verbesserung haben einen Return on Invest von weniger als einem Jahr, rechnen sich also schon nach einem Winter. Hoch automatisierte Analyse-Werkzeuge erleichtern die Identifizierung sinnvoller Maßnahmen.

AutomationML-Anlagenmodelle für das Energiemanagement
Ein Energiemanagement erfordert die Erfassung und Bewertung von Energieströmen. Wenn man dabei bis auf Anlagenebene detaillieren will, werden Kennzahlen nach dem „ANEG-Modell“ benötigt, das den Aufwand A, den Nutzen N und die Einflussgrößen EG darstellt. Der Beitrag schlägt zur digitalen Anlagenmodellierung das AutomationML- Format vor. Im Anwendungsbeispiel wird eine Hochdruckreinigungsanlage für Metallteile abgebildet.

 

Veröffentlicht: 15.04.2024

Work-In-Progress Beitrag / Peer-Review