Aktuelle Ausgabe

IT, willst du mich heiraten?
Die aktuell vielleicht größte technologische Herausforderung für die Prozessindustrie ist die Verschmelzung von IT und OT. Noch immer gibt es nicht genug Brücken von der Feldebene in höher gelagerte Dateninfrastrukturen, noch immer verarbeiten Leitsysteme zu großen Teilen analoge Signale.
Doch all dies ist im Wandel und bekommt zusätzlichen Treibstoff durch (KI-basierte) Software, die auch in der Prozessautomatisierung immer mehr Einzug hält. Wie eine software-zentrierte Automatisierungs- und Betriebsarchitektur der Zukunft aussehen könnte, war zentrales Thema der vergangenen NAMUR-Hauptsitzung. Im Interview ab S. 16 erklärt Peter Zornio, CTO von Emerson, warum es diesen Wandel hin zu offenen und software-definierten Systemen unbedingt braucht.
Wie dieser Übergang gelingt und warum die IT den Heiratsantrag der OT auf jeden Fall annehmen sollte, zeigt das atp magazin 1-2/2025. Denn wie Audrey Hepburn auf der Rückseite dieses Heftes treffend sagt: „The best thing to hold onto in life is each other.“
Die Interview-Highlights
„Boundless Automation wird IT und OT verheiraten“
Auf der NAMUR-Hauptsitzung 2024 präsentierte Emerson mit Boundless Automation℠ eine Vision, wie eine softwarezentrierte Automatisierungsund Betriebsarchitektur der Zukunft aussehen könnte. Peter Zornio, Chief Technology Officer (CTO), von Emerson, erläuterte der atp-Redaktion im Interview am Nachmittag des ersten Kongresstages, warum eine standardisierte Dateninfrastruktur dafür unerlässlich ist und warum das Konzept die Verschmelzung von IT und OT vorantreiben kann.
„Wir müssen kritisch in den Spiegel schauen“
Seit der NAMUR-Hauptsitzung 2024 ist Tobias Schlichtmann neuer Vorstandsvorsitzender der NAMUR. Mit welchen persönlichen Zielen er seine Arbeit aufnimmt, vor welchen Herausforderungen die Prozessindustrie steht und wie die NAMUR sich optimal für die Zukunft aufstellt, erklärt er im Interview.
„Die GMA muss internationaler werden“
Dr. Christine Maul ist die neue Vorsitzende der VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik. Zum 1. Januar 2025 hat sie das Amt von Prof. Dr.-Ing. Michael Weyrich übernommen. Im Antrittsinterview spricht die erste weibliche Vorsitzende der GMA über ihre Ziele und beschreibt, wie sich die Gesellschaft transformieren muss, um sich für die Zukunft aufzustellen.
Die peer-reviewten Hauptbeiträge
Evergreen Automation Systems
"So bleiben Automatisierungssysteme immer aktuell und gut"
Es war mal so einfach: Automatisierungssysteme wurden gekauft und ohne Änderungen über viele Jahre betrieben. Das ist bei heutigen Systemen, die aus vielen Komponenten bestehen, nicht mehr möglich: Nicht nur, weil Software- und Hardwarekomponenten schnell veralten, sondern auch aus Gründen der ITSicherheit. Umso wichtiger ist ein systematisches Lifecycle Management, um immer „aktuelle“ Systeme zu haben, bei denen die nötige Verfügbarkeit durch neue Hardware, Updates und Support sichergestellt ist.
Hybrid BATCH: Integration von MTP in Bestandsanlagen
"MTP und ISA 88 – zwei Standards lassen sich gut verbinden"
Für modulare Anlagen verwendet man die MTP-Files, die man mit den Modulen (PEAs) geliefert bekommt. Aber wie kann man solche Module in vorhandene Anlagen integrieren, die mit einem Batch-System nach ISA 88 (IEC 61512) automatisiert sind? Der Beitrag untersucht, wie die Konzepte MTP und ISA 88 zusammenpassen. Dabei zeigt sich, dass bei geeigneter Implementierung des MTP-Zustandsautomaten und Nutzung von OPC UA eine Integration der PEAs in das Batch-System reibungslos möglich ist.
Process-X: Grundstein für ein vernetztes Energiemanagement der Zukunft
"So viel Dampf wie nötig, so wenig wie möglich - dank IT"
Dampf kommt zwar nicht aus der sprichwörtlichen Steckdose, aber aus der Infrastruktur von Industrieparks. Und um auf der sicheren Seite zu liegen, wurde immer kräftig Dampf erzeugt. Die Nachhaltigkeitsziele erfordern ein Energiemanagement, bei dem immer nur so viel Dampf generiert wird wie benötigt. Dies erfordert eine ständige Abstimmung der Dampferzeugung mit den Produktionsplänen der Unternehmen im Werk. Das Projekt „Process-X“ erstellt den unternehmensübergreifenden Datenraum für diese Anwendung in der Prozessindustrie.
AAS Submodel Generator
"Praktische Wege zur AAS für Bestandsanlagen"
Für Neuanlagen wird es ganz einfach sein: Man bekommt vom Lieferanten die technischen Daten als
Verwaltungsschale AAS zur Verfügung gestellt. Aber wie kann man die Daten für Bestandsanlagen erfassen? Der Beitrag schlägt einen pragmatischen Weg vor: Man kann die Typenschilder abfotografieren, den Text per Texterkennung „lesen“ und die Daten mit Hilfe eines Large Language Models in die relevanten Teilmodelle der AAS eintragen lassen. Alternativ – und mit höherer Erfolgsquote - können auch PDF-Dokumente oder Webseiten als Datenquellen verwendet werden.