Bd. 62 Nr. 9 (2020): atp magazin 9/2020

atp magazin 9/2020

Agentenbasierte Systeme sind keine neue Errungenschaft. Schon vor über 20 Jahren wurden sie von der Wissenschaft entwickelt, haben sich seitdem aber in der industriellen Produktion nicht flächendeckend durchsetzen können. Es fehlte lange Zeit an Rechenleistung, dezentraler Hardware und allgemein an Digitalisierungsfortschritt.

Mit der inzwischen rasanten Entwicklung der Künstlichen Intelligenz und all ihrer verschiedenen Ausprägungen werden agentenbasierte Systeme jedoch für die industrielle Praxis immer attraktiver. Dabei fassen sie unter einer Vielzahl verschiedener Namen auf dem Shop Floor Fuß. Von Cloud-Technologie, Edge-Lösungen über Microservice-Architekturen – überall sind Agenten involviert.

Nicht zuletzt deshalb gelten Agentensysteme heute als Schlüssel zu Industrie-4.0-konformen Anwendungen und Prozessen. Die industrielle Fertigung wird dank ihnen nicht nur maximal flexibel, sondern ist zusätzlich resilienter gegenüber unvorhergesehenen Zwischenfällen. „Schlägt also nun die Stunde der Agenten?“ fragt Prof. Dr.-Ing. Alexander Fay im Editorial dieser Ausgabe deshalb zurecht.

Im atp magazin 9/2020 spüren wir die oft im Verborgenen agierenden Agenten auf und zeigen Ihnen, wie viel Potenzial in solchen Systemen schlummert und wie Sie es heben können.

Das Interview-Highlight:

"KI ist letztlich Regelungstechnik auf anderen Domänen" (Martin Ruskowski, DFKI)
In der Vision der autonomen Produktion nimmt Künstliche Intelligenz (KI) eine Schlüsselrolle ein und gilt als fehlender Baustein hin zur Smart Factory. Im atp-Interview erklärt Prof. Dr.-Ing. Martin Ruskowski, wieviel KI in der Produktion der Zukunft steckt und warum große Datenmengen alleine keine resiliente Fertigung garantieren.

Die peer-reviewten Hauptbeiträge:

Gib den Daten einen Kontext
Daten ohne Zusammenhang sind wertlos. Was nützt ein Temperaturwert zu einem bestimmten Zeitpunkt, wenn man nicht weiß, welcher Produktionsschritt gerade lief? Die Notwendigkeit, den Kontext zu kennen, erstreckt sich über alle Ebenen der Automatisierungspyramide. Der Beitrag erklärt, welche Arten von Kontext es gibt, und zeigt an vier praktischen Beispielen, welche Kontextinformationen zur Lösung der Aufgabenstellungen benötigt werden.

Dezentrales Scheduling für dynamische Systeme
Eine typische Aufgabe der Auftragsplanung: Für mehrere Aufträge stehen verschiedene Bearbeitungsmaschinen („Ressourcen“) zur Verfügung darunter auch geteilte Ressourcen, z. B. eine Kranschiene. Wie sieht der optimale Plan aus.? Der Beitrag schlägt vor, für jeden Auftrag und jede Ressource einen Agenten anzulegen. Diese sind mit dem MES und einem Simulationstool verbunden und können den besten Produktionsplan aushandeln.

Production Bots für Production Level 4
Dieser Beitrag fasst den Begriff „Produktionsplanung“ noch weiter als der vorhergehende: Angesichts der
Corona- und Nationalismus-Risiken muss eine Produktionsplanung firmenübergreifend möglich sein,
um Flexibilität zu garantieren. Production Bots sind Software-Agenten, die die Fähigkeiten von  Produktionskomponenten beschreiben. Diese führen Produktionsaufträge autonom aus. Die Bots werden von der Cloud bis zur Maschine integriert, beispielsweise im GAIA-X-Verbund.

Simulationsmodellgenerierung im modularen Maschinen- und Anlagenbau
Wenn einerseits Anlagenmodule per Plug-&-Work kombiniert werden können und andererseits jedes Modul
ein Simulationsmodell mitbringt, ist es anachronistisch, wenn diese Modelle jeweils von Hand zu einer
„Co-Simulation“ zusammenprogrammiert werden müssen. Der Beitrag stellt ein Assistenzsystem vor, das sowohl die Erstellung der Co-Simulation als auch die lebenslange Modellpflege unterstützt. Dabei hilft, dass die Modulmodelle in standardisierter Form als Functional Mock-Up Units (FMUs) zur Verfügung stehen.

Absicherung von industriellen Steuerungen gegen fortschrittliche Cyberangriffe
Leider werden Cyberangriffe auch auf industrielle Steuerungssysteme durchgeführt. Im Beitrag werden zunächst verschiedene Modellierungsmethoden für solche Angriffe diskutiert. Beim Consequence-driven Cyber-informed Engineering wird die gravierendste Konsequenz eines Angriffs ermittelt und dann rückwärts überlegt, wie ein solcher Angriff zu verhindern sind. Diese Methode wird anhand der praxisnahen IGR-Demonstrationsanlage in Frankfurt erläutert.

Veröffentlicht: 17.09.2020

Hauptbeitrag / Peer-Review