Bd. 63 Nr. 03 (2021): atp magazin 03/2021
Die digitale Transformation der produzierenden Industrie bedeutet inzwischen vor allem einen Zuwachs an IT-Technologien, die mit dem Shopfloor verbunden werden müssen. Auch die Prozessindustrie wird so immer mehr zu einer digital getriebenen Welt, in der IT und OT immer mehr verschmelzen.
Während in der Vergangenheit oft zu hören war, dass sich einer der beiden Bereiche den anderen einverleiben wird, setzt sich zunehmend eine andere Überzeugung durch: Weder Produktion und IT würden ineinander integriert, erklärt Martin Schwibach, Leiter des NAMUR-Arbeitsfelds 4 „Betrieb und Instandhaltung“. „Vielmehr wird beides in einem neuen Digitalisierungsbereich für Produktion vereint. Und wir Automatisierer müssen diesen Prozess gestalten.“
Doch was genau brüten IT und OT da wirklich aus? Das atp magazin 3/2021 versucht genau das herauszufinden und fokussiert sich dabei besonders auf die Instandhaltung, die Wartung und den Betrieb von Produktionsanlagen. Denn schließlich trifft genau dort, auf dem Shopfloor des Brownfields, traditionelle Operational Technology auf IT-getriebene Services und Infrastrukturen wie etwa die Cloud.
Die Interview-Highlights:
”Ohne disruptives Mindset werden IT und nicht verschmelzen“ (Martin Schwibach, BASF & NAMUR)
Auch wenn die Integration von IT-Technologien in der Prozessindustrie immer neue Potenziale eröffnet, bleibt die Realität auf dem Shopfloor oft hinter den Erwartungen zurück. Für Martin Schwibach, der bei der NAMUR das Arbeitsfeld 4 „Betrieb und Instandhaltung“ leitet, liegt das vor allem an fehlender Connectivity, die jetzt einen Mentalitätswandel dringend notwendig macht.
"Erfolg kommt durch Können, Wollen und Machen" (Dr. Kurt D. Bettenhausen, HARTING)
Die digitale Transformation der Industrie bietet für große Unternehmen ebenso wie KMU und Start-ups enorme Gestaltungschancen, die nur Wenige wirklich nutzen. Fehlt uns der Digitalisierungs-Mut? Sind wir zu satt für Industrie 4.0? Dr. Kurt D. Bettenhausen, Vorstand Neue Technologien und Entwicklung bei HARTING, ruft uns dazu auf, wieder gezielt Risiken einzugehen und erklärt, warum Besserwissen allein nicht reichen wird, um unseren Wohlstand zu erhalten.
Die peer-reviewten Hauptbeiträge:
Die Anwendung von DIN EN 62424 in der Prozesstechnik
Die DIN EN 62424 gilt seit 2017 für die Darstellung von PLT-Stellen in R&I-Fließbildern, eine ältere Version bereits seit 2010. Dennoch wird in der Prozessindustrie häufig noch nach der zurückgezogenen DIN 19227 gearbeitet. Der Beitrag behandelt viele Aspekte der beiden Normen und schlägt Übersetzungen und Verwendung von Begriffen vor. Wer die DIN EN 62424 verstehen und umsetzen will, findet in diesem Beitrag eine gute Basis.
Modulmanagementsystem zur Verwaltung von PEAs
Wer verfahrenstechnische Module, auch PEA (Process Equipment Assembly) genannt, intensiv einsetzt, wird früher oder später eine Verwaltung dieser Module benötigen. Da Module anlagenübergreifend verwendet werden können, ist eine standortweite Verwaltung und auch Speicherung der Historie sinnvoll. Der Beitrag stellt Anforderungen hierfür zusammen und schlägt eine Cloud-basierte Implementation vor.
Optimierte Reglereinstellung bei Kälteanlagen
Es gibt sie noch: klassische, aber komplexe Regelungsaufgaben. Bei einer Kälteanlage muss man sowohl die Ventilatorleistung als auch die Pumpengeschwindigkeit des Kältemediums regeln: Zwei gekoppelte und nichtlineare Regelkreise. Die Autoren zeigen, dass man dieses Problem mit bekannten empirischen Entwurfsverfahren und zustandsabhängigen Reglerparametern gut und überschwingungsfrei lösen kann.
Tailored Digitization with Real-Time Locating Systems
Die Position von Gegenständen in Echtzeit auf 10 cm genau bestimmen – das ist die Aufgabe von Ultrawideband-Chips. Zu wissen, was gerade wo ist, stellt eine Grundvoraussetzung für digitalisierte Workflows dar, kann aber auch noch manuelle Prozesse unterstützen. Der Beitrag nennt sechs Anwendungen, in denen die Echtzeit-Positionsbestimmung ihre Vorteile ausspielen kann: Prozesse werden schneller, sicherer und intelligenter.
Optimale Produktions und Personaleinsatzplanung
Eine klassische Optimierungsaufgabe in der Produktionsplanung ist die Erstellung von Produktions- und Personaleinsatzplänen. Was ist die optimale Reihenfolge, um mit den vorhandenen Ressourcen – Maschinen, Personal, Schichten – mit möglichst wenig Umrüstungen und Wegezeiten auszukommen? Der Beitrag zeigt, wie eine solche Optimierungsaufgabe mathematisch beschrieben und numerisch gelöst werden kann – gar nichts so schwer wie gedacht!